Wir sind wieder auf dem Weg zum Kniedoktor. Meine Frau hat sich das Gelenk gebrochen, Kniescheibe ist abgerissen, das Bein komplett in einer Schiene, Krücken. Gerade als wir uns auf der Treppe zum Auto (das steht, wo auch sonst, direkt vor der Tür) Stufe für Stufe abwärts kämpfen, bekommen wir Besuch. Nun schon das zweite Mal in fünf Jahren kommt der Bürgermeister (Freie Wähler) zu uns. Wie sich zeigen wird, auch das zweite Mal mit dem selben Thema.
“Guten Tag, meine Name ist Rutsch, ich bin der Bürgermeister.”
Meine Frau lasse ich erstmal jammernd und zedernd auf der Treppe stehen, so hohen Besuch darf man nicht warten lassen, da muss Mann Prioritäten setzen. “Da es immer mal wieder Thema in den Gemeinderatssitzungen ist,” fährt er fort,”möchte ich Sie fragen, ob Sie Ihr Auto gerade hier parken müssen.” “Ja,” sage ich verwundert. Dass er nicht den anstehenden Transport meiner Frau zum Arzt ansprach, ahnte ich bereits. “Sie selbst, Herr Rutsch, haben uns doch erst kürzlich geschrieben, dass angeblich eine ‘Historische Straße’ durch unser Grundstück verläuft, nachdem wir Ihnen nachweisen konnten, dass die Aussage vom Ordnungsamt, es gäbe ‘alte Wegerechte’ durch unser Grundstück schlichtweg falsch waren. Damit haben Sie uns von unserem Privatparkplatz auf die öffentliche Straße zumParken geschickt. Auf meine weiteren Briefe haben Sie verzichtet zu antworten. Auch wurde unsere beiden vorhergehenden Autos, unser Hänger und meine beiden Motorräder auf unserem Stellplatz, den Sie seit Kurzem ‘Historische Straße’ nennen, mehrfach beschädigt. Das Ordnungsamt hat noch nichtmal nachgefragt, was da war, hat uns wegen der Sachbeschädigungen direkt an die Polizei verwiessen. Auf weitere Anfragen, auch wegen vieler anderer Vorfälle, haben wir vom Ordungsamt und von Ihnen bisher keine Antworten mehr bekommen. Da haben wir nun nach Monaten des vergeblichen Wartens auf eine Reaktion oder gar Hilfe von Ihnen die Entscheidung getroffen, hier auf der Straße zu parken, wo wir das Auto sehen können. Und gewisse Vorteile, wie z.B. möglichst kurzer Humpelweg in den nächsten Monaten für meine Frau zum Auto, lassen sich auch nicht leugnen.”
“Ich habe ein Angebot für Sie. Da einige Häuser weiter, am Roten Weg, hat die Gemeinde einen Stellplatz, den Sie nutzen können.”.
“Das ist kein Angebot,” sagte ich ihm,”wir haben unseren Stellplatz am Haus, hier um die Ecke auf unserem Grundstück. Den wollen Sie uns streitig machen. Auch wenn Sie uns einen roten Teppich bis zum Roten Weg auslegen, ist das immer noch die Forderung an uns, unser Auto wegzustellen und kein Angebot für uns. Sie wollen uns mit Ihrem Stellplatz am Roten Weg Trinknäpfe für Fische verkaufen. Brauchen wir nicht.”
Meine Frau unterbricht mich mit dem Hinweis, das wir einen Arzttermin haben und Ihr das Bein wehtut. Man, wozu hat sie denn das andere Bein …
“Außerdem kann es nicht sein,” sagte ich dem Bürgermeister weiter,”dass der Gehweg immer wieder als Straße benutzt wird. Ich konnte einige Male vom Gehweg und auch beim Überqueren der Fahrbahn wegspringen und damit einen Unfall verhindern. Meinen Sie meine Frau kann das, gerade im Moment, auch? Hier wird mit Geschwindigkeiten an unserem Grundstück vorbeigefahren, die teilweise außerorts nicht erlaubt sind.” Ich nannte dem Herrn Bürgermeister einige der Traktoren und LKW und Andere mit Namen und Adresse, die hier täglich ihre Roadshow abziehen. “Sie müssen doch die Leute verstehen, so der Bürgermeister. Die sind verärgert, weil Ihr Auto sie immer wieder zum Abbremsen und Anhalten zwingt. Es ist eine besondere Verkehrssituation hier an dieser Stelle.”
“Ja”, sagte ich. Die besondere Verkehrsituation besteht darin, dass hier in einer 30er Stelle mit Geschwindigkeiten jenseits der 60 km/h gefahren wird, aus beiden Richtungen. Da fahren Fahrzeuge schnell mal mit 150 km/h auf einander zu. Da sind die paar Unfälle über den Monat verteilt nur der guten Übersichtlichkeit hier zu schulden. Wir parken erst seit wenigen Monaten hier auf der Straße, trotzdem wurden wir auch davor schon, als wir nur kurzzeitig hier standen beim Ein-/ Ausladen angeschrieen, uns wurde des öfteren der Mittelfinger gezeigt, der Zeigefinger wie ein Messer über den Hals gezogen, wir wurden beleidigt. Schon bevor wir auf der Straße parkten hat die selben Fahrer Geschwindigkeiten oder Zulassungsbestimmungen ihrer eigenen KFZ nicht interessiert. Und das muss ich verstehen? Jetzt wohnen wir hier und die alte Rennstrecke, hier hat viele Jahre lang keiner mit Auto gewohnt, ist nun oft durch unser Auto nicht mehr als Rennstrecke zu benutzen. Stop’n go sogar wärend dem Berufsverkehr. Das tut uns leid. Das haben wir Ihnen auch schon vor einiger Zeit mitgeteilt, unternommen haben Sie nichts dagegen. Sorgen Sie jetzt dafür, dass wir uns sicher auf dem Gehweg bewegen können, sorgen Sie dafür, dass hier die Geschwindigkeit kontrolliert und eingehalten wird und unterlassen Sie es, unser Grundstück als ‘Historische Straße’ zu bezeichnen oder unser Grundstück anderweitig der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen zu wollen. Dann können wir unser Auto auch wieder auf unserem Stellplatz parken und auf dem Gehweg dorthin laufen. Das ist für uns die Verhandlungsgrundlage. Nicht verhandelbar ist unsere Gesundheit, nicht verhandelbar ist unsere Sicherheit, nicht verhandelbar ist unser Leben. Darüber haben allein wir zu entscheiden.”
Das lehnt der Bürgermeister ab. “Wissen Sie was die Leute so von mir verlangen?”, fagte er mich. “Da wollen doch tatsächlich Einige, die weit ruhiger wohnen als Sie hier, dass wir dort wo sie wohnen, eine Spielstraße einrichten. Das geht nicht. Ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen. In Bezug auf zukünftige Verhandlungen muss ich Sie auffordern, Ihr Auto weg zustellen.”
Wie bitte? In ‘Bezug auf zukünftige Verhandlungen’? “Ja,” so der Bürgermeister, “sicher haben Sie doch in der Zukunft auch mal das eine oder andere Anliegen an die Gemeinde und wenn Sie jetzt meiner Forderung nachkommen, können wir uns bestimmt auch in Zukunft besser einigen.”
Ich musste nochmal nachfragen, hatte ich mich eben zwei mal verhört? “Sie fordern uns hier und jetzt auf, auf unser Recht hier zu parken zu verzichten? Im Namen von Verkehrsteilnehmern, die noch nicht mal annähernd bereit sind, sich an die StvO zu halten. Mehr noch, die genau hier an unserer Adresse bewußt riskant fahren, hupen, sachbeschädigen, drohen, beleidigen? Und Sie fordern das auch noch in Hinblick auf zukünftige Verhandlungen, in denen Sie uns dann wohlgesonner sind?”
“Wie ich Ihnen schon gesagt habe, es war mehrmals Thema in den Gemeinderatssitzungen. Nehmen Sie meinen Vorschlag an?”
“Nein!”
“Herr (Mein Name), überlegen Sie es sich doch nochtmal bevor die Sache hier eskaliert, vielleicht kann ich dann auch mal was für Sie tun.”
“Sie?” fragte ich nun leicht gereizt. “Sie haben bisher nicht nur Nichts für uns getan, weniger noch, Sie haben nachweislich persönlich Falschaussagen gegen uns gemacht, fördern hier in Waldwimmersbach deliktisches und ordungswidriges Verhalten, indem Sie mir drohen, auch weiterhin Nichts für uns zu tun, schaffen einen teilweise rechtsfreien Raum. Die Sache ist schon mehrfach eskaliert. Und nun plötzlich, als unser Fahrzeug, das bei Weitem nicht das einzige auf den Straßen von Waldwimmersbach stehende ist, jedoch eins der wenigen ist, die korrekt geparkt sind, in Ihren Gemeinderatssitzungen zum Thema wird, kommen Sie hier her und fordern uns auf, das Auto weg zustellen? Sie haben sich bisher noch nicht mal für unsere Probleme interessiert, obwohl Sie wußten, dass wir welche haben, wir Sie vergeblich um Hilfe gebeten hatten. Sie haben diese Probleme zum Teil mitgeschaffen. Noch immer lehnen Sie es ab, hier regulierend oder aufklärend zu wirken und fordern uns im selben Gespräch dazu auf, auf unsere Rechte, auf unsere Sicherheit, zu verzichten? Nochmal: “Nein, so nicht!”
Meine Frau, hüstelt etwas von wegen “…wir wollten das doch über den Rechtanwalt regeln…” oder so.
Rechtanwalt gegen Spitzbuben, die von der Gemeindeverwaltung gedeckt und unterstützt werden? Lachen kann doch so erholsam sein.